Nicht so (h)eilig | 9.12.2021 - Der Patriot | Kristina Ziemssen - Geseke

Vor vier Wochen habe ich hier über ein Straßenschild geschrieben, das mir im Urlaub am Bodensee begegnete: „Im Himmelreich“. Spannend war für mich, dass unter dem Straßennamen ein Sackgassenschild angebracht war. Das löste verschiedene Gedanken und manchen Austausch aus. Auf meinen Beitrag unter dieser Rubrik habe ich einige Reaktionen bekommen, über die mich sehr gefreut habe.

Unter anderem bekam ich von dem Mann meiner Freundin als Reaktion ein anderes Foto zugeschickt, das ihm auf eine seiner beruflichen Fahrten begegnet ist: Wieder ein Straßenschild, dieses Mal kurz und bündig mit dem Wort „Hölle“. Er fand es mitten in dem waldeckschen Dorf Edertal-Netze. (Spannend ist natürlich die Frage, wie eine Straße zu diesem Namen kommt. Leider habe ich keinen Hinweis im Internet gefunden.) Bei der „Hölle“ in Netze fehlt anders als beim „Himmelreich“ am Bodensee das Sackgassenschild. Bei Google sah ich jedoch, dass es sich bei der „Hölle“ tatsächlich auch um eine Sackgasse handelt. Sie ist verwinkelt und ein kleiner Abzweig mündet irgendwo im Gelände.

Das passt! Denn während für mich das Himmelreich nie in einer Sackgasse enden kann, es querfeldein immer einen Weg weiter gibt, ist die Hölle für mich auf jeden Fall eine Sackgasse, jedenfalls der Glaube an eine irgendwie geartete Hölle.

Was ist den Menschen damit früher für eine Angst gemacht worden! Auf alten Fresken, aber auch in düsteren Schilderungen ist die Hölle als Ort unendlicher Qual dargestellt worden: ewiges Fegefeuer, dem Teufel zu Willen sein, verbannt für alle Ewigkeit, fern vom Licht, der Erlösung und der göttlichen Barmherzigkeit. Mit der Hölle wurde gedroht, den Menschen Angst gemacht und Macht ausgeübt. Nicht Freude und Dankbarkeit sollte sie in Gottes Arme und in ein Leben nach seinem Willen treiben, sondern die Angst vor der Hölle. Wie furchtbar! Ich kann mir nicht vorstellen, dass unser Gott uns aus Angst vor der Hölle zu sich kommen sehen willen. Um nichts in der Welt will er das. Ich glaube, ihn anders zu kennen: Einladend, freundlich, tröstend, mit einem strahlenden Gesicht. Ihm tut es leid, wenn er uns in Angst sieht. So sollen wir nicht leben. Denn Angst lähmt und nimmt die Luft zum Atmen. Angst macht eng und versteinert das Gesicht. In der Angst gibt es kein Lächeln und kein freundliches zugewandtes Wort. In der Angst wachsen dunkle Fantasien.

Es ist mehr als gut, dass solche Höllenvorstellungen bei vielen Menschen heute nicht mehr ziehen, obgleich durchaus jenseits von Vernunft und Aufklärung solche Ängste in manchen Gemeinschaften nach wie vor als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Doch auch wenn wir uns die jenseitige Hölle nicht mehr vorstellen können und wollen, gibt es Hölle natürlich immer noch. Statt im Jenseits wartet die Hölle im Diesseits auf Menschen: In Misshandlungen und Gewalt, in Psychoterror und Mobbing, in Krieg und Vertreibung, in Versklavung und Ausbeutung, in Schlauchbooten auf dem Mittelmeer, auf Intensivstationen, wo Menschen durch schwere Covid-Erkrankungen hindurchmüssen, in Dörfern, die im Ascheregen verschwinden, wenn Menschen das Selbstbestimmungsrecht genommen und Bildung verhindert wird. So viele Höllen gibt es auf Erden! Anstatt, dass wir dankbar sind, dass wir uns um Gottes Willen nicht mehr vor der Hölle im Jenseits fürchten müssen und befreit von solchen Ängsten leben können, schaffen wir hier eine Hölle neben der anderen und halten das Feuer am Brennen… als könnten wir ohne diese Orte der Qual für Menschen nicht leben.

Neben dem Schild „Hölle“ in Netze steht ein Stromverteilerkasten. Dieser „Hölle“ könnte also der Strom abgedreht werden. Eine schöne Vorstellung: Die Höllen auf Erden ohne Energie, ohne dass sie Schaden anrichten und Menschen ins Leid stürzen können. Ohne Energie würden sie in sich zusammenfallen und zusammenschrumpfen. Der Himmel würde in jeder Hölle zu sehen sein, die Sonne würde diese dunklen Orte ausleuchten und wärmen und das Elend daraus vertreiben.

Lasst uns aufmerksam sein: Wo Menschen in einer Hölle leben, an Orten oder in Situationen, in denen das Leben qualvoll ist. Wie vermessen sind wir eigentlich, dass wir „Höllen“ zulassen, wo unser Gott uns einladend und freundlich entgegenkommt. Müssten wir uns nicht mit all unseren Kräften dafür einsetzen, dass Menschen schnellstmöglich daraus befreit werden? Müssten wir uns nicht darum mühen, dass es keine „Höllen“ hier auf Erden mehr gibt?

Ich wünsche Ihnen, dass Sie nach Weihnachten nicht sagen: „Das war die Hölle!“ Ich wünsche Ihnen lieber eine fröhliche Adventszeit und ein Weihnachtsfest mit vielen glücklichen Momenten.

Auch dieses Bild finden Sie wieder auf der Homepage der Evangelischen Kirchengemeinde Geseke unter www.evangelisch-in-geseke.de. Dort ist auch noch das andere Foto und der Beitrag vom letzten Mal zu finden.

Kristina Ziemssen, Geseke